Förderung wissenschaftlicher Arbeit

Verleihung der Walter-Cyran-Medaille 2008

Prof. Dr. Daniel Brasseur




Laudatio

Dr. Ulrich Granzer, Vorsitzender der DGRA e.V.

Ladies and Gentlemen,

The person we are honouring today once told me on the phone that I should speak German as he needed to practise. Therefore I am changing now into German.

Wir hatten einen spannenden Tag, an dem wir gesehen haben, daß die Entwicklung in Medizin und Pharmazie nicht langsamer wird sondern sich im Gegenteil sogar beschleunigt. Davon später mehr. Doch nun zu unserer Preisverleihung:

Wir möchten heute die Walter Cyran Medaille verleihen. Der Rahmen ist besonders: Es ist unsere 10 Jahrestagung und wir verleihen die Medaille erst zum 7 mal, sie kann also einmal im Jahr verliehen werden, muß aber nicht.

Ich habe die besondere Ehre und Freude, zu diesem Anlass eine Laudatio auf den Empfänger zu halten.

Doch zuerst traditionell ein paar Worte zum Hintergrund der Medaille und ihrem Namensgeber:

Die DGRA hat diese Medaille nach Walter Cyran benannt. Walter Cyran ist 1907 in Düsseldorf geboren worden und 2000 in Tübingen verstorben. Er hatte in Tübingen Pharmazie und Lebensmittelchemie studiert. Nach dem 2. Weltkrieg übernahm er 1947 im Innenministerium des Landes Württemberg-Hohenzollern und später von Baden-Württemberg die Referate für Pharmazie und Lebensmittelchemie.

Er ist als Lehrbeauftragter bzw. Honorarprofessor an den Universitäten Freiburg, Karlsruhe und Tübingen tätig gewesen und hat zahlreichen, für die Erarbeitung eines modernen Arzneimittelrechts tätigen Gremien angehört. Er wurde durch seine vielfältigen arzneimittel- und apothekenrechtlichen Publikationen bekannt.

Der von ihm zusammen mit Kloesel begründete Kommentar zum Arzneimittelrecht hat sich als der "Kloesel/Cyran" zum Standardwerk dieses Rechtsbereiches entwickelt. Ähnliches gilt für den "Cyran/Luckenbach/Hügel" bzw. den daraus hervorgegangenen "Cyran/Rotta" für das Apothekenrecht.
Dieses Jahr haben wir einen Preisträger, dessen Lebenslauf sich wie der von mehr als nur einer Person liest und dessen Namen ich daher erst etwas später nennen möchte.

Unser heutiger Preisträger lebt in Brüssel, er startete seine berufliche Karriere mit einer Fellowship in Paediatrics, Universitätskrankenhaus Saint Pierre in Brüssel. Danach arbeitete er in Ruanda und im Congo an Programmen zur Vaccinierung und Verbesserung der Ernährungssituation von Kindern, das Alles in Zusammenarbeit mit Unicef.

Seinem Fachgebiet Pädiatrie blieb er auch in seiner weiteren Karriere treu, als Leiter des "Infantile Department & Paediatric Unit for Nutrition and Metabolic Diseases" des Saint Pierre Hospitals in Brüssel.

Danach übernahm der die Funktion des Leiters der klinischen Abteillung für Ernährung und Pharmakologie am Universitätskinderkrankenhaus Königin Fabiola in Brüssel, die er bis heute hält.

Daneben hat der Preisträger eine große Anzahl weiterer wichtiger Forschungsprojekte auf dem Gebiet der Pädiatrie und Ernährung vorangetrieben, auf die ich hier nicht näher eingehen möchte.
Daß er eine Professur hält, ist bei diesem Lebenslauf eigentlich nicht anders zu erwarten.
Das wäre an sich ja schon genug für einen Lebenslauf, aber jetzt kommt der Teil, auf den sich die Preisverleihung primär bezieht: Diese Aktivitäten stehen in seinem Lebenslauf unter „D: European Regulatory and Scientific Activities” und ich möchte sie ihnen einfach vorlesen:

  • Member of EMEA/CPMP Patients Group (2001-2006)
  • Chair of the EMEA/CHMP Think tank Force on Innovative Medicines
  • Member of Vaccine Expert Group/Working Party
  • Chair of Paediatric Expert Group/Working Party
  • Member of CPMP
  • Chair of the Vaccines Working Party
  • Chair of the CHMP
  • Chair of the PDCO

und ich möchte ergänzen "Vater der Paediatric Regulation".

Damit möchte ich den Auszug aus dem höchst beeindruckenden Lebenslauf unseres Preisträgers beenden, aber nicht ohne zu erwähnen, daß mein Respekt für ihn, seit ich ihn vor einigen Jahren kenne gelernt habe, beständig gewachsen ist. Ich sage das ganz bewußt und mit großer Freude.

Wir ehren heute Professor Dr Daniel Brasseur für seine Rolle als Integrator, treibende Kraft und tollen Kollegen, der wie wenige Andere die Zulassungslandschaft der letzten Jahre geprägt und mit der Paediatric Regulation etwas sehr wichtiges Neues mit geschaffen und gestaltet hat

Ich freue mich, ihnen lieber Herr Brasseur im Namen der DGRA an der historischen Stätte des ehemaligen Parlamentsgebäudes der Bundesrepublik Deutschland die Walter Cyran Medaille 2008 für Ihre besonderen Verdienste um die Rolle und den Stellenwert der Pädiatrie in der Drug Regulatory Affairs zu verleihen.


 

Ansprache von Prof. Dr. Daniel Brasseur nach der Verleihung der Walter-Cyran-Medaille

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Mitglieder der DGRA,

erlauben Sie mir, meine Ansprache in Deutsch zu halten. Sie werden am Ende meines Vortrages verstehen, warum es mir es mir besondere Freude macht, diese Sprache zu sprechen.
Die Verleihung der Cyran-Medaille ist eine Ehre und eigentlich eine ganz unerwartete Ehre für mich. Ob man eine solche Anerkennung verdient, weiß man selbst nie. Man kann nur vermuten, dass eine solche Auszeichnung wahrscheinlich eine Bewertung widerspiegelt, die man für sich selbst nie in Anspruch genommen hätte.
Eine solche Auszeichnung abzulehnen, könnte beleidigend wirken. Demgegenüber könnte die Annahme auch überheblich erscheinen. Beides wäre kein wünschenswerter Effekt. Ich habe mir daher vorab ein paar Gedanken darüber gemacht, was zu dieser Verleihung geführt hat. War es meine Arbeit als Kinderarzt, als CHMP-Mitglied oder als Vertreter der PDCO?

Mir wurde sehr schnell deutlich, dass jedenfalls drei wichtige Elemente Grundlage Ihres Vorschlages waren:

  1. Die europäische Dimension macht es heute möglich, einem Kollegen aus einem kleinen Nachbarland eine Auszeichnung zu verleihen, welche von der Fachgesellschaft des größten Landes Europas gespendet wurde. Europa hat daher eigentlich diese Medaille verdient.
  2. Die Cyran-Medaille ist sicher auch eine Auszeichnung für diejenigen, die für Kinder und Kinderarzneimittel gearbeitet haben. Ich möchte daher betonen, dass alle Mitgliedstaaten in großartiger Zusammenarbeit die Kinderverordnung geschaffen haben. Es ist nicht erforderlich zu wiederholen, dass Deutschland in besonderem Maße an der Finalisierung dieser Verordnung beteiligt war. Eigentlich wird daher die Cyran-Medaille heute den Kindern verliehen.
  3. Eine solche Preisverleihung schafft die Möglichkeit, wichtige Dinge und Probleme anzusprechen: Die Welt der Regulationen ist sicher nicht perfekt. Die äußeren Rahmenbedingungen ändern sich, die Behörden und die pharmazeutischen Unternehmen sowie die andere "Pharmawelt" sollen immer schneller Fortschritte schaffen. Es ist daher wichtig, dass die Kommunikation untereinander funktioniert, um zu gewährleisten, dass alle Beteiligten immer noch auf dem richtigen Weg sind.

Ich habe persönlich keine umfangreichen Erfahrungen in dem regulatorischen Bereich oder mit der Arbeit in Behörden im Gegensatz zu den früheren Preisträgern. Deswegen kann und möchte ich heute beschränkt auf meinen gesunden Menschenverstand vier Anmerkungen Ihnen mitteilen - frei nach dem Motto: Ab und zu muss man das Kind beim Namen nennen! -:

  1. Noblesse oblige (Adel verpflichtet) - die EU-Kommission spreche ich zu erst an: Der System der Zulassungen funktioniert. Es ist und war immer sehr erfolgreich und wird daher oft als Vorbild angesehen ..., aber die Gesetzgebungen sind in der Zwischenzeit so komplex und undurchsichtig geworden, dass man manchmal nicht mehr weiß, wie man ein Problem lösen und ein Verfahren handhaben soll. Die Kommission sollte in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten daher unbedingt daran arbeiten, die Arzneimittelgesetze der Europäischen Union zu vereinfachen - bei allem Respekt vor den Anwälten, die davon leben -. Aber selbst eine Katze würde in diesem Dschungel ihre Kätzchen nicht wiederfinden!
  2. Die nationalen Behörden sollten sich mehr auf spezielle Aufgaben ausrichten und konzentrieren. Das Paul-Ehrlich-Institut ist ein gutes Beispiel dafür, wie erfolgreich ein behördliches Institut sein kann, das sich auf einen bestimmten Fachbereich der Medizin fokussiert. Würde die Behörden in Europa stärker zusammenarbeiten und sich gegenseitig vertrauen, könnten sich alle Beteiligten viel Arbeit ersparen oder zumindest Zeit gewinnen, um sich neuen Forschungsgebieten und Entwicklungen zu widmen. Nationale Behörde werden immer mehr als genügend Arbeit finden, z. B. in klinische Studien, Spitzenforschungen und ein gutes Verhältnis zu den Universitäten suchen. Ein weiterer wichtiger Bereich sind die Aufträge zur Überwachung im Bereich der Sicherheit und Qualität. Die nationalen Behörden sollten es aber auch wagen, Bereiche, mit denen sie sich nicht beschäftigen können, Dritten zu überlassen und Befugnisse auf Andere zu übertragen. Dies erfordert natürlich Vertrauen.
  3. Die Pharmaindustrie ist meistens zu schüchtern. Marketing-Abteilungen können schnell auf der Palme sein, wenn sie über ein paar Worte in der Packungsbeilage streiten müssen, welche letztendlich aus fachlich-medizinischer aber auch aus anderen Gründen nur geringe Bedeutung haben. Den dadurch verursachten Ärger und die Falten könnte man sich ersparen, wenn die Forscher und Produktentwickler von Konzernen sich aktiv und transparent mit den Behörden auseinandersetzen würden. Kann dadurch nicht auch das Vertrauen geschaffen werden, sensible Daten auszutauschen? Für die Umsetzung der neuen Pädiatrieverordnung gibt es keine ernstzunehmende Alternative. Dies erfordert gegenseitiges Vertrauen.
  4. Zum Schluss möchte ich noch erwähnen, dass die Vermehrung von Gesetzen und Richtlinien neue Unsicherheiten schafft. Dies ist unvermeidlich. Dies deutlich zu machen und für eine Vereinfachung des Regelwerks zu sorgen, ist auch Pflicht einer Agentur wie der EMEA. Unklarheiten und Gesetzeslücken müssen geschlossen werden. Insoweit muss die EMEA Verantwortung übernehmen. Gesetzesauslegung darf sich nicht in Exegese erschöpfen, sie muss vielmehr zu Entscheidungen und Aktionen führen. Die Pädiatrieverordnung zeigt deutlich, wie schwer Gesetzesanwendung sein kann. Es ist daher erforderlich, dass die pharmazeutischen Unternehmen den Rat der Behörde suchen. Andernfalls läuft das Unternehmen Gefahr, dass Prüfkonzepte für Kinder entwickelt werden, die noch nicht ausgereift sind. Das gleiche im Übrigen für die Umsetzung der neuen Verordnung zu Advanced Therapies. Stetiger Dialog schafft das erforderliche Vertrauen.

Vereinfachungen und Vertrauen sind mein Motto. Nur so können wir es gemeinsam schaffen, eine Lähmung des Systems zu verhindern. Dies erfordert einen konstruktiven Dialog. Wissenschaftlicher Austausch und Kommunikation sind gerade für den Bereich der Pädiatrie von besonderer Bedeutung.

Abschließend möchte ich - wie bereits eingangs angekündigt - noch eine sehr persönliche Information zum Thema Gespräche und Sprache abgeben. Ich habe Deutsch hier in der Nähe von Bonn, nämlich in Bad Münstereifel gelernt. Die Familie Lauterbach waren meine Pflegeeltern. Ich war 5 Jahre alt. Frau Lauterbach war Bäuerin, hatte 3 Kühe und einige Hühner. Ich habe damals schon am frühen Morgen Milch und Eier in verschiedene Häuser geliefert. Herr Lauterbach war Holzfäller. Ich habe ihn in den Wald begleitet.

Familie Lauterbach würde heute sicher sehr stolz sein, mich in diesem historischen Gebäude zu erleben und bei der Verleihung der Medaille dabei zu sein, nicht nur der Ehrung wegen, sondern auch weil sie mir die Gelegenheit gegeben haben, mich auf Deutsch zu unterhalten und damit die Sprache zu erlernen. Daher möchte ich meine Pflegeeltern Lauterbach in Dankbarkeit an meiner Ehre teilhaben lassen.

Ich bedanke mich noch einmal herzlich für den Preis und wünsche der Deutschen Gesellschaft für Regulatory Affairs eine lange und erfolgreiche Zukunft.

Prof. Daniel Brasseur

BILDERGALERIE

Preisverleihung 2008